
An der kurzen Leine: Ilse Müller
Ein Leben für den Hovawart
Ilse Müller wird zum Ehrenmitglied ernannt – ein Rückblick auf fünf Jahrzehnte Engagement.
Es war ein besonderer Moment auf der Clubsiegerschau 2025 – einer jener seltenen Augenblicke, um danke zu sagen. Ilse Müller, eine der Persönlichkeiten unseres Vereins, wurde zum Ehrenmitglied ernannt.
INTERVIEW Kirsten Breidenbach FOTOS Privat

Die Überraschung war nicht ganz perfekt – „Man hatte sich im Vorfeld verplappert“, erzählt sie mit einem verschmitzten Lächeln.
Und doch: Als sie tatsächlich aufgerufen wurde, war es ein emotionaler Moment. „Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen hatte, habe ich es geglaubt – und mich riesig gefreut.“
Dass Ilse Müller diesen Moment mehr als verdient hat, darüber herrschte an diesem Tag Einigkeit. Denn was sie in den vergangenen fast 50 Jahren für den Verein, die Zucht und die Gemeinschaft geleistet hat, ist außergewöhnlich. Und dabei war der Einstieg in die Vereinswelt eher pragmatisch als geplant.
Ein Gespräch mit Ilse ist wie ein Blick hinter die Kulissen: viel Herz, reichlich Erfahrung und eine klare Meinung. Wir haben mit ihr über das Leben mit Hovawarten im RZV gesprochen und ausführliche Antworten erhalten.
Hallo Ilse, gibst du uns ein paar persönliche Fakten?
Ich befinde mich im achten Lebensjahrzehnt, habe in Hamburg in der Universitätsklinik Eppendorf Zahnarzthelferin gelernt. Seit der Familiengründung 1965 und dem Umzug ins Schwabenländle ein Jahr später, war ich „nur“ Hausfrau und Erziehungsberechtigte unserer drei Mädels. Jetzt, in die Jahre gekommen, bin ich Rentnerin (und immer noch Hausfrau).

Weißt du noch, wie du damals zum Verein gekommen bist – oder wurdest du einfach „reingeschubst“?
Unsere drei Mädels und ich haben meinen Mann zwei Jahr lang wegen eines Hundes in den Ohren gelegen. Eine Bekannte von uns hatte als Jugendliche einen schwerverletzten Hovawart im Straßengraben aufgelesen und ihn gesund gepflegt. Sie hat so begeistert von ihm erzählt, dass wir ebenfalls einen Hovawart haben wollten. Wir fanden tatsächlich einen RZV-Züchter in unserer Nähe der Welpen liegen hatte. Von ihm bekamen wir unsere erste Blondine, Cita vom Schwarzenbach (Foto li.) und das, obwohl wir im Mietshaus eine Wohnung im ersten Stock hatten und unsere jüngste Tochter Karin (jetzt Ostertag) gerade fünf Jahre alt geworden war. Dem Züchter habe ich hoch und heilig versprechen müssen, dass ich mit dieser Hündin nicht züchte. Für ihn war Cita zu hell im Blond.
Was hat dich damals an den Hovawarten (oder dem Vereinsleben) so gepackt, dass du bis heute dabeigeblieben bist?
Der Züchter von Cita hat gesagt, entweder ich werde Mitglied im RZV oder es gibt keinen Welpen. Also wurde ich Mitglied. Das Vereinsleben ist erst später dazu gekommen, über Vereinsmitglieder, die mir das Know How der Hundeerziehung und Hundeausbildung beigebracht haben. Auf der Mitgliederversammlung 1981 hat man mich für das Amt der Beisitzerin vorgeschlagen und damit fing alles an. 1983 hatte ich mit zwei selbstgezogenen Würfen die Voraussetzung erfüllt um zum LG-Zuchtwart gewählt zu werden. Ich wurde vorgeschlagen, weil Züchter mit dem amtierenden LG-Zuchtwart sehr unzufrieden waren. So wurde ich LG-Zuchtwartin. Als Beisitzer wurde dann jemand anderes gewählt.
Die LG-Zuchtwarte haben sich anfangs zweimal im Jahr an einem Wochenende anlässlich der ZW-Tagung getroffen. Am Samstag saßen wir nach dem Abendessen zum Erfahrungsaustausch noch lange in gemütlicher Runde zusammen. Wenn dann Witze erzählt wurden, haben wir oft Tränen gelacht. Das Miteinander der LG-Zuchtwarte hat mir das Vereinsleben und die Arbeit für den Verein schmackhaft gemacht.
Wann hattest du deinen ersten eigenen Hovawart – erinnerst du dich noch an sie?
Mein erster Hovawart war die Cita vom Schwarzenbach. Als Kind habe ich oft mit dem Kettenhund unserer Nachbarn lange Ausflüge in die Umgebung gemacht und ihm dabei allerhand Unfug beigebracht.
Wie kam es zur Zucht? War das eine „Liebe auf den zweiten Blick“?
Nachdem wir von der Wohnung in Haus mit großem Garten umgezogen sind, kam der Zuchtgedanke ganz von alleine. Unsere Mädels waren sofort begeistert und mein Mann war schnell überredet. Der Züchter von Cita, mit dem ich noch lange Kontakt hatte, hat es mir nicht übelgenommen, dass ich wortbrüchig geworden bin.

Gibt es einen Wurf oder einen Hund, der dir besonders im Gedächtnis geblieben ist – aus guten oder kuriosen Gründen?
Mir fällt da eine ganz kuriose und unglaubliche Geschichte im Zusammenhang mit einer Hündin aus meiner Zucht ein. Aus unserem B-Wurf ging Binka an unseren Architekten im Nachbarort. Bei ihrem ersten und einzigen Wurf war ich stark involviert. Kurz vor der Abgabe fragte die Besitzerin von Binka mich, wie schwer in etwa der Welpe mit acht Wochen ist, weil die Interessenten ihn im Flugzeug mit nach Afrika nehmen wollten. Als sich dann herausstellte, dass der blonde Rüde in Afrika bleiben sollte, wollte die Züchterin den Interessenten absagen, weil Afrika zu heiß für einen Hovawart ist. Der Sohn, den die Züchterin bei der Absage am Telefon hatte, meinte aber, dass die Hitze kein Problem ist. Seine Tante hätte schon einen Hovawart gehabt, der wäre aber von den „Eingeborenen“ gegessen worden. Natürlich flog der Rüde nicht nach Afrika.
Was war dir in deiner Zuchtarbeit immer besonders wichtig?
Mir war immer der offene und ehrliche Kontakt mit den Interessenten wichtig. Manchmal musste ich Überzeugungsarbeit leisten, damit sie Mitglied im RZV wurden, zur NZB mit ihrem Hund kamen und mit ihm zum HD-Röntgen gingen. Bis auf die Welpenkäufer aus dem Ausland wurden alle Mitglieder im RZV, fast alle kamen zu den Nachzuchtbeurteilungen und haben ihre Hunde HD röntgen lassen.
Du warst Zuchtwartin, dann stellv. Zuchtleiterin, später Zuchtleiterin – hattest du da irgendwann mal das Gefühl: Jetzt reicht’s?
Eigentlich nicht. Nur als ich als Zuchtleiterin „eingesprungen“ bin war klar, dass ich dieses Amt nur so lange ausüben würde, bis ich eine Nachfolgerin gefunden hatte. Das war nach vier Jahren Amtszeit der Fall und ich war total überrascht und tief gerührt, als ich danach im Hovawart den kurzen Artikel von Peter Thome zu meiner Verabschiedung als Zuchtleiterin gelesen hatte. Mit so viel Wertschätzung hatte ich überhaupt nicht gerechnet.
Was war in all den Jahren das Schönste an der Arbeit?
Dass ich viele meiner Ideen umsetzen konnte. Als ich zum LG-Zuchtwart gewählt wurde, bekam ich von meinem Vorgänger eine Schachtel mit der Tätowierzange und einen Schuhkarton mit handgeschriebenen Karteikarten auf denen notiert war, wer einen Deckrüden hatte und wer Züchter war. Auf der Suche nach Deckrüden für die LG-Züchter bekam ich aus der damaligen LG Baden die Antwort: das sind meine Rüden, die kriegst du nicht. Zu der Zeit wusste ich als Zuchtwart nicht, welche Rüden in welcher LG zur Verfügung standen. Um das zu ändern kam mir die Idee mit einer Deckrüdenliste der einzelnen Landesgruppen, was bis heute gut funktioniert.

Als Delegierte habe ich gleich bei einer der ersten Tagungen den Vorschlag gemacht, den Welpenkäufern bei der Übergabe des Welpen einen Leitfaden für das erste Jahr mitzugeben. Der Vorschlag fand Zustimmung und dann hieß es, mach mal. Also hab‘ ich gemacht und seitdem gibt es die RZV-Welpenbroschüre.
Und was war richtig nervig oder herausfordernd?
Dass mir immer wieder Menschen begegnet sind, die eine festgefahrene Meinung hatten und das auf keinen Fall ändern wollten. Den Satz: das haben wir noch nie so gemacht, das bringt doch nichts, habe ich immer wieder gehört. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man penetrant dabeibleibt, gibt der andere oft entnervt auf und am Ende zeigt sich dann, dass meine Ideen doch ganz brauchbar waren.
Was hat sich im Laufe der Zeit bei Zucht und Vereinsarbeit besonders verändert?
Die Datenbank ist eine großartige Sache und erleichtert die Zuchtarbeit. Ich erinnere mich noch mit Grausen an den Schreibkram, den wir Zuchtwarte im Zusammenhang mit der Wurfbetreuung erledigen, verteilen und archivieren mussten.
Deine Familie ist ja auch „infiziert“ – wie hast du das angestellt?
Eigentlich ganz einfach: Begeisterung steckt an und dann ist Überzeugungsarbeit nicht mehr nötig. Bei den Würfen haben alle aus der Familie mitgeholfen und wenn ich vereinsmäßig unterwegs war, waren die Daheimgebliebenen das ein oder andere Mal sicher froh, dass die Chefin nicht alles mitbekam, was in ihrer Abwesenheit so passierte.

Was bedeutet dir dieser Zusammenhalt – auch über Generationen hinweg?
Ohne Zusammenhalt geht es nicht und nebenbei bekommt die jüngere Generation so mit, dass Vereinsarbeit und Ehrenamt viel Spaß machen kann.
Wie hast du von deiner Ehrenmitgliedschaft erfahren – und hast du’s gleich geglaubt?
Man hat sich im Vorfeld verplappert. Nachdem ich eine Nacht darüber geschlafen habe, habe ich es auch geglaubt und mich riesig gefreut.
Was bedeutet dir diese Auszeichnung?
Mir bedeutet die Auszeichnung und die damit verbundene Wertschätzung sehr viel.
Mal ehrlich: Gibt’s überhaupt eine Ehrenmitgliedschaft für Menschen, die nie stillsitzen können?
Muss man als Ehrenmitglied denn stillsitzen, das wär‘ nix für mich.

Wenn du auf all die Jahre zurückblickst – was war der schönste Moment im Verein?
Es gab einige schöne Momente im Verein, welcher davon der schönste war, kann ich gar nicht sagen.
Und gab’s auch Zeiten, wo du fast hingeschmissen hättest?
Auch die Zeiten gab es, aber hinschmeißen ist nicht mein Ding. Die Genugtuung mich klein bekommen zu haben, habe ich niemandem gegönnt.
Was motiviert dich eigentlich heute noch, so viel Herzblut reinzustecken?
Dass meine Arbeit weiterhin geschätzt wird.
Welchen Wunsch hast du für den Verein – oder für die nächste Züchtergeneration?
Mein Wunsch ist, dass der Verein weiterhin die kynologische Vorbildfunktion behält, die er jetzt hat und dass die Züchter weiterhin mit Herz und Verstand die Rasse Hovawart am Leben erhalten.
Gibt es noch etwas, das du mit auf den Weg geben möchtest?
Sich für die Rasse Hovawart und den Verein einzusetzen, lohnt immer!

Beitrag eingestellt durch presse.olnds
