
Quo Vadis Assistenzhund –
Die Ausbildung in den Mühlen der Bürokratie
Text und Fotos: Erich Gaa
Ein Assistenzhund ist ein speziell ausgebildeter Hund, der Menschen mit körperlichen oder psychischen Einschränkungen im Alltag unterstützt. Er ist dabei weit mehr als nur ein Haustier. Er ist ein zuverlässiger Helfer, der dazu beiträgt, die Selbstständigkeit und Lebensqualität seines Menschen zu verbessern. Die Ausbildung dieser Hunde dauert in der Regel 1,5 bis 2 Jahre. Die Kosten der Ausbildung und der Prüfung, wir reden meistens über eine fünfstellige Summe, werden, mit Ausnahme des Blindenführhundes, nicht von der Krankenkasse übernommen.
Seit 2019 bin ich stolzer Besitzer der Hovawart-Hündin Aika vom Remstalschlösse Rufname „Candy“. Da ich seit 2014 Diabetiker bin und speziell meine Unterzuckerungen nicht bzw. kaum merke, habe ich mit Candy eine Ausbildung zum Diabetiker-Assistenzhund durchgeführt, welche sie am 25.11.2021 nach 18 monatiger Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen hat. Dazu hatte ich bereits auch einen Artikel im „Hovawart“ veröffentlicht. Weitere Artikel zu diesem Thema:
Diabetiker-Warnhund und Inklusion oder Diskriminierung im Hundesport ?

Um Candy in Zukunft zu entlasten, sie ist 24/7 auf Standby und zeigt zuverlässlicher und schneller meine Unterzuckerung an als jeder Sensor, zog in diesem Jahr die Hovawarthündin Lexy vom Bohrertal bei uns ein. Nachdem die Eingewöhnungs- und Kennenlernphase nach einigen Monaten vorüber war, wollte ich mit der Ausbildung von Lexy bei unserer ehemaligen Trainerin, Evangelia Sindl, beginnen. Zu meiner Überraschung erhielt ich von ihr die Information, dass zur Zeit kein offiziell anerkanntes Assistenzhunde-Training stattfinden kann, da nicht klar ist, ob, wann und wie die Ausbildungsstätten für Assistenzhunde in der Zukunft zertifiziert werden. Ich habe mich daraufhin lange mit diesem Thema auseinander gesetzt und konnte folgendes, auch aus Artikeln des FAZ und des NDR, recherchieren:

Im Jahr 2023 ist die Assistenzhundeverordnung (AHundV) in Kraft getreten. Diese Verordnung regelt ganz klar, wer Assistenzhunde ausbilden darf, welche Inhalte und Stundenanteil die Ausbildung mindestens umfassen muss und wer nach welchen Regeln die Prüfung durchführen und abnehmen darf. Der Sinn dahinter ist, dass Assistenzhunde nach bestimmten Kriterien von dazu befähigten Menschen ausgebildet sowie unabhängig und einheitlich geprüft werden sollen. Dieses Gesetz beinhaltete eine Übergangsregel für die Prüfung und Anerkennung von Assistenzhunden, deren Ausbildung bereits am Laufen war.
Diese Übergangsregel endete jedoch am 30.06.2024. In ganz Deutschland gibt es aktuell keine zertifizierte Ausbildungsstätte, weil es keine wie in der AHundV geforderte, fachliche akkreditierte Stell gibt, welche die Zertifizierung durchführen kann. In der Verordnung wird diese übergeordnete Zertifizierungseinrichtung „fachliche Stelle“ genannt. Diese „fachliche Stelle“ war zunächst die Deutsche Gesellschaft zur Präqualifizierung im Gesund- heitswesen (DGP). Im Oktober 2023 hatte sie die Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierstelle erhalten. Doch schon im April 2024 gab die DGP diese Akkreditierung wieder zurück. Mit der Begründung: „Eine qualitätsbringende Zertifizierung ist mit der aktuellen Assistenzhundeverordnung nicht möglich.“ Damit mussten auch Ausbildungsstätten, die sich bei der DGP zertifizieren ließen, ihre Zertifizierung zurückgeben.

Die Situation ist nun folgende:
- Es gibt seit April 2024 in Deutschland keine Zertifizierungsstelle für Ausbildstätten von Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften.
- Es gibt demzufolge seitdem auch keine zugelassenen, zertifizierten Ausbildungs- stätten von Mensch-Assistenzhund-Gemeinschaften
- Es gibt nicht zugelassene Ausbildungsstätten die laut BAMS weiter ausbilden dür- fen, aber ohne die Sicherheit, dass sie die Zulassung, wann auch immer, bekom-
- men werden.
- Die Assistenzhundenehmer:innen, die ihre Hunde in Zusammenarbeit mit diesen Ausbildungsstätten ausbilden, können sich nicht prüfen lassen und wissen auch nicht, ob und wann diese Prüfungen möglich sind. Außerdem haben sie keine Sicherheit, dass die Hundeschulen, in denen sie ihre Ausbildungen machen, jemals zugelassen werden.
- Auch fertig ausgebildete Assistenzhunde-Teams können seit dem 01.07.2024 keine Prüfung ablegen, die Hunde werden nicht als Assistenzhunde anerkannt und können somit ihre Menschen nicht überall hin begleiten. Das bedeutet, es geht für diese, auf den Beistand ihrer Hunde angewiesenen Menschen, zum Einen um den Verlust von Sicherheit und Lebensqualität im Alltag zum Anderen aber auch um finanzielle Belast- ungen. Denn mit Ausnahme des Blindenführhundes (übrigens auch ein Assistenzhund) wird die Ausbildung jedes Assistenzhundes von der/dem entsprechenden Hunde- halter selbst bezahlt. Eine Beteiligung oder gar Kostenübernahme, wie beim Blinden-führhund üblich, durch eine Krankenkasse gibt es nicht.
- Das BAMS wurde schon mehrfach, vor Ablauf der alten Übergangsregelung und auch danach, von meiner Trainerin Evangelia Sindl in Zusammenarbeit mit dem Assistenz-hunde e.V. Nordkirchen um eine Verlängerung der ursprünglichen Übergangsfrist gebeten, da abzusehen war, dass es nach dem 30.06.2024 auf nicht absehbare Zeit keine Prüfungsmöglichkeiten mehr geben wird. Leider bisher ohne Erfolg.
- Diese Übergangsregelung wird vom Bundestag seit Mitte 2024 nämlich nicht beschlossen.
Beim BAMS gibt es seit Februar 2025 stattdessen nun folgendes auf der Webseite zu lesen:
„Die Umsetzung der Assistenzhundeverordnung (AHundV) verzögert sich derzeit in einigen Berei-chen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales arbeitet mit Hochdruck daran, die notwendigen Strukturen für die Zertifizierung der Assistenzhunde zu schaffen. Bis dahin soll übergangsweise eine Zertifizierung von Assistenzhunden ermöglicht werden, deren Ausbildung in nicht zugelassenen Ausbildungsstätten abgeschlossen wurde, wenn diese die Qualitätsanforderungen der Assistenzhundeverordnung erfüllen.“
Fakt ist: Wir haben in der Bundesrepublik ausgebildete Teams, die sich nicht prüfen und anerkennen lassen können und sich somit nicht auf Zutrittsrechte, wie im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG§12e) geregelt, berufen können. Denn ohne Anerkennung sind Assistenzhunde im öffentlichen Raum „nur“ Hunde, die keinerlei rechtlich abgesicherte Zutrittsrechte oder andere Privilegien haben, auf die die Menschen mit Behinderung angewiesen sind, z.B. Zugang zu Schulen, Universitäten, Geschäften, Arztpraxen, kostenlose Mitnahme im öffentlichen Nahverkehr und Zügen oder auch die Mitnahme des Hundes am Arbeitsplatz usw. Hinzu kommt die Belastung unzähliger Teams, die zwar unter Prüfungsverhältnissen trainieren, die aber nicht wissen, ob, wann, wer oder zu welchen Kosten jemals diese Prüfung stattfinden kann.

Wenn man bedenkt, dass Assistenzhunde bei Diabetikern, bei Epilepsie-, Autismus- und PTBS-Erkrankungen aber auch als Mobilitätshunde, z.B. bei Rollstuhlfahrern oder als Signalhunde bei Menschen mit Hörbehinderung zum Einsatz kommen, erhält man einen Eindruck, wie weitgefächert die Einsatzgebiete der Assistenzhunde sind und wie groß die Anzahl der Menschen sein würde, die auf die Unterstützung dieser Hunde angewiesen sind. Für alle diese Menschen wäre ein schnelles und unbürokratisches Handeln der zuständigen Behörden wünschenswert und zwingend erforderlich.
Schreibet doch das BAMS ebenfalls auf seiner Homepage:
„ Assistenzhunde leisten einen wichtigen Beitrag im Zusammenleben mit ihren Menschen. Sie signalisieren gesundheitliche Notlagen und können als Begleiter Leben retten.“
Diese Aussage kann ich nur voll unterstützen. Ich würde sogar sagen:
„ Assistenzhunde leisten einen unschätzbaren Beitrag für Menschen mit Behinderung und/oder psychischen Erkrankungen. Sie fördern die Selbstständigkeit, schenken Sicherheit, verbessern die Lebensqualität und ermöglichen ihren Halter:innen die gesellschaftliche Teilhabe. Ihre Ausbildung erfordert Zeit, Geduld und Fachwissen – doch das Ergebnis ist ein Team, das aufeinander eingespielt ist und ein Leben lang zusammenarbeitet.“
Es ist daher höchste Zeit, dass dies auch in den poltischen und finanziellen Rahmenbedingungen klarer zum Ausdruck kommt und die Regelung der Assistenzhundeausbildung nicht in den Mühlen der Bürokratie und durch Kompetenzrangelei zerrieben wird.
Beitrag eingestellt vom Pressewart BaWü
