Die Glückshormone tanzen lassen
„Man bekommt immer das, was man belohnt, nicht das, was man will.“
(Bob Bailey)
Text: Dr. Anja Meiser, Fotos: Sabrina Stechmann
Vor kurzem hab ich mir „Motivation pur“ von Rolf und Madeleine Franck gegönnt, ein Buch über richtig gutes Hundetraining. Neben den neuro-anatomischen Grundlagen, dem Aufbau des hundlichen Gehirns mit Belohnungssystem inklusive und allem möglichen anderen hab ich zum ersten Mal gelesen, dass der Hund die körperliche Nähe des Menschen als unangenehm empfindet. Jetzt weiß ich, warum wir im Basistraining ein Futterspiel gezeigt bekamen, wo der junge Hund unter den Beinen, hinter dem Rücken, möglichst eng an uns vorbei und drüber klettern sollte. Und wenn es nicht geübt wurde?
Beim Vorsitz etwa ist es noch auszuhalten, der Hund tut, was er soll. Dann kommt das Apportieren dazu. Der Hund ist unsicher ob der neuen Übung. Er läuft zögerlich zum Hundeführer und kaut auf dem Bringholz, weil jetzt gleich auch noch der unangenehme Vorsitz gezeigt werden soll und – wird angeraunzt. Das stressreduzierende Knautschen soll er schön bleiben lassen! Wahrscheinlich wird der Hund eine Wiederholung der Situation meiden, so schreiben die Francks: Was nicht schön war, das wurde mit Anraunzer nicht angenehmer
Es gäbe so vieles, was ich gerne früher schon mal gehört hätte, in der Welpenschule und im Junghundekurs und während der Vorbereitung zur Begleithundeprüfung. Die freiwillige Aufmerksamkeit meines Hundes und Impulskontrolle, da hatte ich Glück, das haben wir aus dem Effeff gelernt. Richtig spielen können wir auch. Aber es fehlte (und fehlt!) noch einiges, vom ordentlichen Aufwärmen angefangen, über das richtige Motivieren, bis zum Zergliedern von Übungen für den sauberen Aufbau. Das Umrunden der Pylone im Obedience etwa besteht aus 7 Schritten: Der Hund sitzt in Grundstellung, mein Kommando folgt auf: „Übung beginnt“, der Hund soll schnell hin rennen, die Pylone knapp umrunden, genauso schnell zurück zu mir flitzen, einparken im „Fuß“ und dort aufmerksam sitzen bis zum: „Übung beendet“. Was tu ich nur, wenn der Hund alles richtig macht und am Schluss schräg einparkt? Loben, motzen? Nee, motzen tu ich im Idealfall nie. „Nein“ und „Schade“ sind auch blöde Kommentare. Der Hund versteht zwar nur die Stimmung, aber die ist bei mir mit diesen Worten im Keller. „Ups!“ passt ganz gut. Aber nun waren ja sechs Schritte richtig, soll ich nun belohnen? Ich muss also aufteilen und Dinge einzeln üben, das schnelle Laufen auf den Punkt belohnen, etwa mit einem geworfenen Ball. Wie oft wiederhole ich eine Übung und wann höre ich auf? Man sagt, ein Hund habe die Aufmerksamkeitsspanne eines 3-4-jährigen Kindes. Ich bin immer wieder überrascht, wie schnell 15 Minuten vorbei sind, wenn der Timer meiner Trainerin klingelt. Und wenn die Hoviline und ich gut gelaunt und entspannt sind, wir einen super Tag haben und alles flutscht, dann sind wir früher fertig.
Überhaupt gehören Fehler zum Training und machen es spannend. Der Hund und ich, wir werden schnell gelangweilt. Wenn alles richtig ist, dann waren die Anforderungen zu niedrig. So habe ich es beim Creacanis-Seminar gelernt und es ist ein hilfreicher Gedanke. Und ich habe eine Hoviline. Schicke ich sie auf einem Spaziergang von mir weg, eine Parkbank oder einen Mülleimer zu umrunden, dann macht sie es beim ersten Mal wie gewünscht, beim zweiten Mal variiert sie, wechselt die Richtung. Offensichtlich war ich ja beim ersten Mal nicht zufrieden. Die kluge Hoviline bietet Variationen an. Beim dritten Mal spränge sie wohl auf die Bank, beim übernächsten Mal würde sie mich anbellen: „Was zum Teufel willst du denn von mir?“ Der Border Collie meiner Freundin lässt sich 20-mal hintereinander in das markierte Quadrat schicken, im Wiederholen von Dingen ist er Meister. Auch das ist genetisch eingebaut. Der Hütehund darf nicht keine Lust mehr haben, dem x-ten Schaf hinterher zu rennen, er muss unermüdlich sein. Diesen „Sensibelchen“ muss man auch beibringen sich auszuruhen. Man kann darauf konditionieren, lese ich, etwa mit einer bestimmten Decke und entsprechendem Kommando. Bei mir hat das „Parken“ bisher gereicht. Der Hund hat Pause und soll einfach nichts tun. Sich hinlegen. Fertig.
Und dann hätte ich gerne noch gewusst, wann ich welche Situationen „schön füttere“. Franck gibt hierzu ein Beispiel aus dem Agility: Der Slalom etwa wird zuhause mit viel Belohnung ausdauernd geübt. Im Turnier ist der Hund bei ungenauer Führung verwirrt und rennt nicht, wie vom Hundeführer angedacht, zum wackeligen Steg, sondern zum sicheren Ort, der mit überreichlich Bestätigung positiv verknüpft ist. Er rast also wie der geölte Blitz durch den Slalom, und das Team kassiert die Disqualifikation wegen falscher Reihenfolge der Hindernisse. Man ist also gut beraten, die Ablage neben fremden Hunden so positiv zu verknüpfen, wie es im obigen Beispiel für den Slalom gelungen ist. Oder die Fußposition, oder den Vorsitz. Überhaupt, wann belohne ich? Darüber wünsch ich mir mal ein Wochenendseminar.
Nutze ich ein Markerwort oder lieber einen Klicker? Ersteres liegt mir immer auf der Zunge, der Klicker ist gefühlsneutral. Will ich neutral sein, oder sind Emotionen ein wesentlicher Teil des Trainings? In meinem ersten Hundejahr sagte eine alte Häsin, dass sie das Spiel beginnt und der Hund mit seiner Spielaufforderung nur in 25% der Fälle bei ihr Erfolg habe. Damit sei klar, wer den Hut auf hat und das Sagen. Bei uns ist das nicht so. Ich spiele gern und freue mich, wenn mein Hund nichts besser findet, als mit mir Spaß zu haben. Hinterher laufen tu ich ihr nicht, das habe ich nicht nötig.
Und wenn Sie schon einen Klicker besitzen oder einen Marker benutzen, dann probieren Sie doch mal das Shapen aus: das Formen eines erwünschten Verhaltens mittels Bestätigung. Funktioniert ähnlich wie Topfschlagen, statt „Kalt“ verhalten Sie sich neutral, beim Schritt in die richtige Richtung klicken Sie und es folgt eine Belohnung. Und wenn Sie nett zu ihrem Hund sind, dann denken Sie sich eine Übung aus, die Sie dann mit einem Trainingskollegen oder ihrem Partner trocken klicken. Schnell werden Sie erkennen, wie schwierig ein komplexes „Heiß-kalt-Spiel“ ist und wie wichtig gutes Timing. Und wie genervt Sie als Hund sind, wenn die Aufgabe nicht zum Ausbildungsstand passt. Wenn Sie dann noch überlegen, dass beim Shapen zwangsläufig viele falsche Schritte passieren, bis der Hund das Gewünschte tut, während beim Bestätigen in der gewünschten Position (Freifolge mit Lecker in der Hand) der Hund schon ziemlich dicht dran ist am Endergebnis und Sie dann abwägen, dass das selbstständige Erarbeiten einer Übung vielleicht doch im Vordergrund steht … Dann wissen Sie schon viel mehr als ich vor der Lektüre des Buches.
Rufen Sie nicht: „Fuß!“, sobald ihr abenteuerlustiger Hund aus dem Auto hüpft und Sie begeistert Richtung Platz zerrt. „Fuß“ wie auf dem Hundeplatz gewünscht ist keine Alltagsübung. Reicht es nicht, wenn der Hund leinenführig dort ankommt? Nehmen Sie für den Alltag andere Kommandos, etwa „Ran.“, damit der Hund weiß, was er soll. 4000 -6000 Wiederholungen braucht es, bis ein einfaches Kommando richtig sitzt, so sagte man in der Junghundegruppe. Und denken Sie daran, wie lange es dauert, neue Bewegungsabläufe zu erlernen. Wie wäre es denn, wenn Sie sich auf ihre mittelalten Tage für`s Stand up-Paddling interessierten, oder als Flachlandtiroler für`s Skifahren? Und um eine exzellente Hundesportlerin sinngemäß zu zitieren: „In meiner Welt dauert es zwei Jahre, bis die Freifolge so ist, wie ich sie sehen will.“
Auf einer Prüfung wird nur gelobt, denn der Hund soll mit einem guten Gefühl und mit reichlich Dopamin versorgt in einer Prüfung sein. Korrigiert und herum gedoktert wird zuhause. Nach der Prüfung wird der Hund versorgt und ausgelaufen, und erst danach diskutiert, wie gut oder blöd man selber war.
„Der Hund ist ein Weltmeister im Lesen von Mimik und Körpersprache, der Mensch Legastheniker.“ – Inga Pankonin
Die Hoviline quietscht. Wenn sie läufig wird, dann ist das Nervenkostüm dünn und das Gehör schlecht. Wenn ich nett bin, dann gibt es zwischendurch am Tag eine kurze Futterschleppe mit einer Wolke von Glückshormonen. Auf dem Platz bestätige ich rascher als sonst und erwarte keine Wunder. Ich könnte auch aus einer Tube mit Leberwurst belohnen: Das Nuckeln setzt Oxytocin frei, das Bindungshormon beruhigt die Nerven. Letzte Woche quietschte sie hormonunabhängig: Nach einer mehrtägigen Zwangspause war sie schlichtweg verrückt vor Freude, etwas tun zu dürfen. Dem konnten wir abhelfen.
Bitte lesen Sie Ihren Hund. Bellen ist nicht immer Pöbeln, Gähnen bedeutet nicht immer Stress, Wedeln nicht immer Freundlichkeit. Vielleicht können Sie auch mal über seine Witze lachen: In den Wald rennen und einen hervorragenden sicheren Rückruf abliefern, für‘s Superleckerli. Ein Stück Altpapier mopsen, um es einzutauschen, ignoriert werden und irgendwann mit vorwurfsvollem Blick und der Zeitung im Fang vor mir stehen: „Ja, kriegst du denn heut‘ gar nix mit?!“
Meine Hündin hat mich noch nie verarscht. So pervers denkt sie nicht. Der Hund ist kein Opportunist, nur weil er Belohnungen zu schätzen weiß. Auch ich gehe nicht aus reiner Nettigkeit zur Arbeit und schätze ein adäquates Gehalt.
Niemand von uns wirft weich gespülte Wattebäusche, denn der Hund findet sie uninteressant. Aber eine Beißwurst, die dürfen wir gerne aus der Tausche zaubern. Mit der Beute zergeln, das macht auch das Frauli glücklich.