Die Läufigkeit der Hündin

Erste Läufigkeit ist nicht gleichbedeutend mit Zuchtreife


TEXT Dr. Claudia Veit

Nachdem 2020 pandemiebedingt kein allzu erfolgreiches Jahr für die RZV-Zucht war, hoffen wir ab 2021 wieder auf höhere Welpenzahlen. Eine Voraussetzung dafür ist, daß zur Zucht zugelassene Hündinnen läufig und erfolgreich belegt werden. Aber vielleicht interessieren sich auch die Besitzer von Rüden oder von Hündinnen, die (noch?) nicht zur Zucht vorgesehen sind, für die Vorgänge bei einer Läufigkeit?

Geschlechtsreife
Je nach Rasse, Größe, Ernährung und Lebensbedingungen wird eine Hündin meist im Alter zwischen sechs und 24 Monaten das erste Mal in ihrem Leben heiß. (Kleine Rassen sind übrigens meistens früher dran als große.) Mit ihrer ersten Läufigkeit ist die Hundedame jetzt also geschlechtsreif. Damit ist sie aber nicht automatisch auch gleich zuchtreif. Eine Hündin kann zwar schon in der ersten Hitze erfolgreich gedeckt werden, aber sie sollte es nicht. (Ein Menschenmädchen hat vielleicht auch schon mit 11 oder 12 Jahren regelmäßig seine Periode. Aber ist es körperlich und seelisch schon reif genug, selbst Mutter zu werden? Na also!)

Wechseljahre
Anders als Menschenfrauen haben Hündinnen keine Menopause. Sie kommen nicht in die Wechseljahre, sondern behalten ihren regelmäßigen Läufigkeitszyklus bis an ihr Lebensende. Jedenfalls, wenn sie gesund bleiben. Mit dem Alter erhöht sich leider das Risiko für Erkrankungen des Geschlechtsapparates. Eine drohende Gebärmuttervereiterung kündigt sich manchmal durch vorhergehende Zyklusunregelmäßigkeiten an.

Zuchtreife
Eine Hündin kann schon in ihrer ersten Hitze erfolgreich gedeckt werden. Ihre körperliche und geistige Entwicklung ist zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abgeschlossen, deshalb ist sie (vor allem bei so großen, spätreifen Rassen wie unserem Hovawart) noch nicht zuchtreif. Bevor nicht die Befunde von HD-Röntgen und Augenuntersuchung vorliegen und die Hündin ihre ZTP bestanden hat, darf sie im RZV sowieso nicht zur Zucht eingesetzt werden.

Zyklus
Typischerweise hat eine Hündin nach Eintritt der Geschlechtsreife einen regelmäßigen Zyklus. Hunde sind diöstrisch, sie haben normalerweise zweimal pro Jahr einen Östrus (= Brunst oder Paarungsbereitschaft). Die Läufigkeit wiederholt sich nach Lehrbuch alle sechs Monate. Das gilt aber nicht für alle Hündinnen. Manche werden nur einmal im Jahr läufig wie Wölfinnen. Viele Hundedamen haben eine Zykluslänge von acht, neun, zehn oder sogar elf Monaten. Ab und zu gibt es auch Hündinnen mit deutlich kürzeren Zyklen. Ich erinnere mich an eine Setterhündin als Patientin, die nur knapp drei Monate Abstand zwischen ihren Läufigkeiten hatte.
Egal wie die Frequenz bei Ihrer Hündin ist – Hauptsache regelmäßig!
Nicht nur bei Zuchthündinnen sollte man akribisch Buch über ihre Läufigkeiten führen. Man notiert den ersten Tag der Blutung als ersten Tag der Hitze. Beobachtungen über die Menge und die Art des Scheidenausflusses, über das Verhalten der Hündin und über die Dauer der Läufigkeit sollten ebenfalls notiert werden. Es gibt Hündinnen, die sich nur an ihren optimal fruchtbaren Tagen decken lassen, während andere über einen deutlich längeren Zeitraum deckbereit sind.
Für Züchter gibt es praktische Büchlein, wo man alle Informationen eintragen kann. Technikaffinere Hündinnenbesitzer nutzen stattdessen eine Exceltabelle, und vermutlich gibt es auch schon spezielle Apps.
Der Brunstzyklus einer Hündin wird vor allem durch ihre Geschlechtshormone gesteuert. Es gibt aber viele weitere Einflüsse. Die Fütterung und das Körpergewicht können die Geschlechtsreife früher oder später eintreten lassen und die Fruchtbarkeit fördern oder mindern. Schilddrüsenhormone wirken sich sowohl auf die körperliche Entwicklung als auch auf den Eintritt der Geschlechtsreife und die Fruchtbarkeit aus. Auch Streß hat Konsequenzen; vor allem Dauerstreß wirkt sich negativ aus.
Interessanterweise synchronisieren viele Hündinnen, die im gleichen Haushalt leben, ihre Läufigkeiten. Das ist ein Wolfserbe. In einem Wolfsrudel werden alle Hündinnen gleichzeitig heiß, aber nur die ranghöchste bekommt Junge. Alle anderen bilden trotzdem ebenfalls Milch. Man nennt das irreführenderweise „Scheinschwangerschaft“. Treffender ist der medizinische Ausdruck „Lactatio sine graviditate“ (= Milchgebung ohne vorangegangene Trächtigkeit). Die Milch der Tanten und älteren Schwestern sichert bei einem Ausfall der leiblichen Mutter durch Unfall oder Krankheit das Überleben des Wurfs durch Ammenaufzucht. Eben sehr soziale Tiere, unsere Hunde.

Phasen der Läufigkeit
1) Mit der sogenannten Vorbrunst (Proöstrus) geht es los. Der Östrogenspiegel steigt allmählich. Die Schamlippen schwellen an und die Hündin hat blutigen Scheidenausfluß. Meist dauert diese Phase rund 9 Tage, aber eine breite Spanne von drei bis 17 Tagen ist normal. Obwohl die Hundedame für Rüden schon attraktiv ist, kommen die fruchtbaren Tage erst noch.

2) In der Brunst (Östrus) liegt die Zeit der Deckbereitschaft. Diese sogenannte Standhitze liegt meist zwischen dem zweiten und vierten Tag des Östrus, also am fünften bis 21. Tag der Läufigkeit. Der Östrogenspiegel steigt weiter, vor allem aber steigt jetzt das Hormon Progesteron an. Ein kurzfristiger starker Anstieg des Gelbkörperhormons LH löst den Eisprung aus.
Der Scheidenausfluß ist nicht mehr blutig, sondern wässrig oder schleimig. Die Vulva ist etwas abgeschwollen. Der Östrus dauert durchschnittlich neun Tage, kann aber zwischen 3 und 21 Tagen lang sein. 

3) In der Nachbrunst (Metöstrus) klingen die Läufigkeitssymptome ab. Der Ausfluss versiegt. Die Vulva schwillt weiter ab. Die Hündin lässt sich jetzt nicht mehr decken, ist aber eventuell noch für Rüden interessant.

4) Nach einer mehrmonatigen Phase der hormonellen Ruhe (Anöstrus) geht es dann wieder von vorne los.
Nach der Läufigkeit haaren viele Hündinnen stark ab. Sie sehen dann manchmal aus wie die sprichwörtlichen gerupften Hühner. Naht dann aber die nächste Läufigkeit, „rüschen“ sie auf und bekommen ein wunderschönes Brautkleid. (Wenn man entsprechend planen kann, ist jetzt ein perfekter Zeitpunkt für einen Ausstellungsbesuch).
Kurz vor dem Beginn der Läufigkeit fällt oft vermehrter Harnabsatz auf. Wie bei einer Blasenentzündung muss die Hündin öfters kleine Mengen Urin absetzen. Mit dem Harn verbreitet die Hündin attraktive Duftstoffe, um Rüden anzulocken. Die frohe Botschaft soll möglichst weit gestreut werden. (Rüdenbesitzer kennen das, wenn ihr Casanova plötzlich mit der Nase wie am Boden festgeklebt ist, verzückt mit den Zähnen klappert und über seinem Kopf Denkwolken mit rosa Herzchen aufsteigen.)

Decktermin
Pauschal wird oft empfohlen, zwischen dem neunten und 14. Tag der Läufigkeit zum Deckrüden zu fahren. Da der optimale Befruchtungstermin aber von Hündin zu Hündin und blöderweise sogar bei ein und derselben Hündin von Läufigkeit zu Läufigkeit wechseln kann, rate ich grundsätzlich zu einer Deckzeitpunktbestimmung mittels Progesterontest.
Die fruchtbare Phase einer Hündin kann mehrere Tage dauern. Sie erstreckt sich von ein paar Tagen vor der Ovulation (Eisprung) bis mehrere Tage danach. Der beste Decktermin liegt ein bis zwei Tage nach dem Eisprung.


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Beitrag eingestellt durch presse.olnds

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